Dienstag, 4. Mai 2021

Schein und Sein

Das Gute am Stricken ist, dass man einfach wieder aufribbeln kann, wenn ein Projekt nichts wird. Oder es einem nicht gefällt. Oder es einfach viel zu groß ist. Das ist mir neulich passiert - trotz passender Maschenprobe. 

Ich wollte mir dieses Teil hier stricken:

Ich habe mir extra die Original-Wolle bestellt und voller Euphorie losgelegt. Dabei war ich trotzdem skeptisch, denn in meiner Größe (36-38) war eine Breite von 50 cm angegeben. Ich habe mir während des Strickens das Rückenteil ständig anhalten lassen und bekam zu hören: "Joa, das ist schon groß, aber vielleicht braucht man die Weite, weil das Teil vorne ja gerafft wird. Es liegt halt locker." 

Das Rückenteil war irgendwann fertig (Musterstricken macht Spaß, dauert aber gefühlt manchmal ewig), und es war 50 cm breit. Ich hätte locker einen Mustersatz weglassen können, hab mich aber nicht getraut. Schließlich wollte ich nicht, dass am Ende das Ding zu eng ist. 

Wie man hier ganz gut erkennen kann, ist es nicht zu eng. Ganz im Gegenteil. Nachdem auch das Vorteil fertig gestrickt war, habe ich eine erste Anprobe gewagt und bekam das zu sehen, was ich die ganze Zeit schon befürchtet hatte: Das schöne Stück war mir viel zu groß. Es hing an mir wie ein Lappen. 

Jetzt frage ich mich: Die Dame in der Zeitung, die das Shirt so nett präsentiert, trägt mit Sicherheit die kleinste Größe - nämlich 36-38. Sieht das Shirt aus, als wäre es ein Sack? Nein. Klar, es fällt locker, aber trotzdem sieht es bei ihr gut aus. Was man allerdings nicht sieht: Die Seitennaht. Weil sie vermutlich irgendwo hinten auf dem Rücken ist, während das Rückenteil mit Klammern und Nadeln weggesteckt ist. Anders kann ich mir das nicht erklären. 

Dass Modezeitschriften mit solchen Tricks arbeiten, wissen wir spätestens, nachdem in der Burda eine solche Klammer im Rücken einer Damen gut sichtbar mit fotografiert wurde. 

Wollen wir das? Ich meine, wollen wir sehen, wie es am Ende NICHT aussieht? Weil es einfach viel zu groß - zu weit - zu wasweißichwas an dem Model ist? Ich verstehe den Sinn einfach nicht, warum in der Strick- oder Nähzeitschrift getrickst werden muss. Wenn das Oberteil 50 cm breit ist, dann fotografiert es auch so, dass man sieht, wie breit es ist. Wenn Kleidung in Größe 40 angeboten wird, dann sollte sie nicht von einem 32-Model gezeigt werden. Ich bin einfach für mehr Realität, gerade in solchen Zeitschriften. 

Was habe ich also gemacht? Das Stück wieder aufgeribbelt. Und etwas neues, viel bessers, mit der Wolle gestrickt. 

Ich mag die Anleitungen vom Garnstudio / Drops Wolle. Sie sind einfach toll. Modern, zeitgemäß, nicht überzeichnet - und passend.

Was ich nicht so mochte, waren die unendlich vielen Rechts-Runden, aber da der Umfang sich bei dieser Anleitung an der Realität orientierte, hielt es sich in Grenzen.

Toll, oder? Ich bin auf alle Fälle sehr begeistert und kann es kaum erwarten, dass die Temperaturen nun endlich ein bisschen steigen, damit ich das Shirt anziehen kann. Das Stricken hat richtig Spaß gemacht, die Wolle ist dafür wie gemacht und wenn es am Ende passt - was kann es Schöneres geben?

Anleitung: Sea Nymph von Drops
Wolle: Norma von Lang Yarns

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